Bon Voyage! Eine abenteuerliche Reise in die Festung Europa (2011)
2009 versuchten 260.00 Menschen in der EU einen Asylantrag zu stellen, 2010 suchten 11.000 Menschen in Österreich um Asyl an. Die Zahl der Menschen, die nach Europa aufbricht, aber dort niemals ankommt, kann nur grob geschätzt werden. Kaum jemand verlässt seine Heimat ohne gute Gründe. Menschen nehmen eine oft lebensgefährliche Reise aus afrikanischen Ländern, Syrien, Afghanistan, Pakistan, Tschetschenien u.a. Ländern auf sich, um Armut, Hunger, Krieg, politischer Verfolgung, Folter und Unterdrückung in ihren Heimatländern zu entkommen. Häufig veranlasst die dramatische Situation zu Hause die Menschen zu der Überzeugung, dass es nur mehr besser werden kann. Tatsächlich wird es oft noch viel schlimmer.
Da die österreichischen Asylbestimmungen — die strengsten innerhalb der EU — von Jahr zu Jahr strenger, undurchsichtiger und somit wohl auch willkürlicher werden, erinnern Zulassungsansuchen und Asylverfahren zunehmend an ein Glücksspiel, in dem es meist um nichts weniger als um Leben und Tod geht.
Vor diesem Hintergrund entstand dieses Spiel, das Verständnis, Empathie und Solidarität für Menschen auf der Flucht schaffen will.
Spielanleitung und Regeln
Das Spiel enthält sieben Spielsteine.
Jede/r SpielerIn wählt 1 Spielstein.
Wer als erstes im Ziel ist, hat gewonnen.
Die MitspielerInnen entscheiden gemeinsam, ob mit einem oder zwei Würfeln gespielt wird.
Um auszulosen, wer beginnt, wird gewürfelt. Wer die höchste Augenzahl wirft, legt los. Es folgen die anderen MitspielerInnen im Uhrzeigersinn.
Wenn eine Sechs fällt, darf nochmals gewürfelt werden.
Wenn zwei Figuren auf ein Feld gelangen, entscheiden alle Spieler gemeinsam, ob die Figuren nebeneinander stehen bleiben oder die bereits auf dem Feld stehende Figur zurück an den Start muss.
Am Ziel ist, wer das Zielfeld erreicht hat. Dabei ist es nötig, das Ziel mit der entsprechenden Augenzahl exakt zu erreichen. Wenn die Zahl jedoch höher ist, müssen die überzähligen Felder zurückgegangen werden. Wirft man beispielsweise eine Fünf, obwohl für den Zieleinlauf nur eine Drei erforderlich ist, so hat man die beiden überzähligen Felder zurückzugehen. D.h. im Endeffekt ist man ein Feld vorgerückt.
Transitfelder & -karten
Die „Transitkarten“ sind bei Spielbeginn gestapelt, mit dem Rücken zu den SpielerInnen so auf das Spielbrett zu legen, dass sie griffbereit sind, aber das Spiel nicht behindern.
Die roten Felder sind „Transitfelder“. Wer auf ein Transitfeld gelangt, nimmt die zuoberst auf dem Stapel liegende Karte , liest sie vor, führt die beschriebene Spielanweisung durch und legt sie anschließend zuunterst in den Stapel zurück.
Die Aufgaben auf den „Transitkarten“ sind nicht frei erfunden, sondern beruhen auf Berichten und Reportagen von Flüchtlingen, JournalistInnen und NGOs.
Viel „Spaß“ und viel Erfolg auf Ihrer/eurer Reise!
Einige Beispiele für Transitkarten: Benin City, Nigeria. ‑ Sie sind so naiv und suchen um ein Visum bei der österreichischen Botschaft in Nigeria an. Freilich ohne Erfolg. Sie sollten sich besser zuerst einen guten Schlepper suchen. > Zurück an den Start. Niamey, Niger. – In einem Haus in Kano warten Sie ein paar Tage, bis sechs weitere Mädchen aus Nigeria und Niger eingetroffen sind. Jetzt ist die „Reisegruppe“ vollzählig und die Reise kann losgehen. > 3 Felder vorrücken. Von Niamey, Niger, nach Gao, Mali. – Gao, die letzte Stadt vor der Sahara, ist ein Zentrum für Reisende nach Europa. Hier muss man sich in „Ghettos“ verstecken, denn ab hier beginnt die Jagd auf Flüchtlinge. Sie und die anderen Mädchen werden gezwungen, als Prostituierte zu arbeiten, um für das Essen ‑ meist eine Tasse mit Suppe aus Ziegenfüßen, Schafsaugen und ein wenig Hirse – und den Guide bezahlen zu können, der Sie durch die Sahara nach Algerien bringen soll. Die Führer sind teuer … > 6mal aussetzen. Abenteuer Sahara. – Die Wüste ist eine Herausforderung: Untertags ist es so heiß, dass man fast nicht gehen kann, der Sand brennt wie Feuer unter den Füßen. Unglücklicherweise halten Ihre Gummisandalen dieser Beanspruchung nicht stand. Aber Sie haben Glück: Es liegen viele Tote am Weg. Sie nehmen sich ein paar neue Sandalen und kommen weiter. > 5 Felder vorrücken. Krank in der Sahara. – Unglücklicherweise haben Sie sich in Gao durch die Arbeit als Prostituierte eine Unterleibsentzündung zugezogen. Als Sie den Marsch durch die Wüste antreten, sind Sie schon krank, wahrscheinlich haben Sie sogar Fieber. Nach ein paar Tagen brechen Sie erschöpft zusammen. Obwohl Sie einer der Männer noch ein Stück trägt, verschlechtert sich Ihr Zustand, so dass er sie bei einem Felsen zurücklassen muss. Ihre Reise endet hier. > Zurück an den Start. Lampedusa, im April 2011. ‑ Glück gehabt. Die italienische Regierung hat alle Flüchtlinge im Zuge der Lagerräumung mit einem Reisevisum ausgestattet. Sie können in jedes EU-Land weiterreisen. > Gratulation, das sind gute Aussichten! 5 Felder vorrücken.
Uraufführung am 10. Juli 015 bei Karl Kilian Tage 2015 – GREAT Expectations I – Kleine Lieblinge III: Duette
Konzept & Design: Martina Montecuccoli (2011)
Spiel-Performance: Eleni Kampuridis, Martina Montecuccoli & Guests
Fotos: Martina Montecuccoli
Literatur- und Quellenangaben:
Mary Kreutzer, Corinna Milborn: Ware Frau. Auf den Spuren moderner Sklaverei von Afrika nach Europa. Salzburg: Ecowin Verlag, 2008
Corinna Milborn: Gestürmte Festung Europa. Einwanderung zwischen Stacheldraht und Ghetto. Das Schwarzbuch. Mit Fotos von Reiner Riedler. – Wien – Graz – Klagenfurt, Styria-Verlag, 2006
Florian Klenk: Früher war hier das Ende der Welt. Reportagen. – Wien, Zsolnay-Verlag, 2011
http://www.sponsoring.erstebank.at/report/stories/issue15_Grenzfaelle+aus+dem+Osten_dt+en/de
http://www.caritas.at/fileadmin/user/…/ZT_1_04_asyl.pdf
http://lehermayr.com/tag/ausengrenze
http://lehermayr.com/category/reportagen/griechenland-fluchtlinge/
http://de.indymedia.org/2005/09/129167.shtml:
http://moment.sosmitmensch.at/stories/2795/:
http://www.ejpd.admin.ch/content/…/illegale_migrationpublic.pdf
http://www.borderline-europe.de/dramen/index.php?monat=201010
http://www.presseurop.eu/de/content/article/467041-gespenster-gehen-um-europa
http://www.fr-online.de/politik/waechter-an-europas-grenze/-/1472596/4834854/-/index.html
http://de.indymedia.org/2005/09/129167.shtml
http://moment.sosmitmensch.at/stories/2795
http://www.asyl-in-not.org/php/portal.php